MAZ vom 31.05.2011

„Buntspecht“ versucht sich erfolgreich an Büchners Werk

RANGSDORF – Auf ein thematisches Wagnis ließen sich die Rangsdorfer Theaterwerkstatt „Buntspecht“ und Eike Mewes mit ihrer neuesten Inszenierung ein. „Leonce und Lena“ von Georg Büchner ist kein Stück vom Fach leicht verdaulicher Muse. „Davon bekommen die Leute schon am Fernseher genug“, fand Spielleiter Eike Mewes und verriet, dass Büchner sein Lieblingsautor und einst Gegenstand seiner Promotionsarbeit war. Nun also in drei Vorführungen auf den Rangsdorfer Brettern, die die Welt bedeuten in der Aula der Oberschule.

Ein verjüngtes und vergrößertes Ensemble und eine tolle Instrumentalgruppe präsentierten sich dem Publikum. Stammspieler wie Hartmut Klucke (König Peter), Fabian Frenzel (Prinz Leonce), Kimberley Nelson (Gouvernante) und Ralf Kosmetschke (Georg Büchner) führten die Aufführung zuverlässig zum Erfolg. In den Zuschauerreihen herrschte Konzentration, um Geschehen und Bedeutung des Spiels zu erfassen.

Dem Stück wurde ein sinnvoller Rahmen durch den Auftritt Büchners gegeben: der sinnierte, visionierte und fasste im Großen zusammen, was das Lustspiel hinter ihm zeigte. Georg Büchner (1816 bis 1837) war ein politischer Mensch, Naturwissenschaftler, Philosoph und Autor mit revolutionären Ansichten. Er lehnte sich gegen die verkrusteten Machtstrukturen im Deutschland der Kleinstaaterei auf. Die Ideen der französischen Revolution von 1789 treffen bei ihm schon als Studenten auf fruchtbaren Boden. Statt alter Strukturen, Dekadenz und Ausbeutungsmentalität der Landesherrn will er politische Reformen, fordert die Mitbestimmung des Volkes. Diese Themen verarbeitet er in verschiedenen Werken, wie „Dantons Tod“ oder dem hier gezeigten. Prinzessin Lena (Anita Karle) vom Reiche Pipi und Prinz Leon vom Reiche Popo sollen miteinander verheiratet werden. Sie kennen sich nicht, doch ohne es zu wissen eint sie die Dekadenz ihrer Zeit und ihrer Klasse: sie sind gelangweilt, desinteressiert und mangels echter Herausforderung des Lebens überdrüssig. Leonce reflektiert partiell seine Unvollkommenheit, führt sie vage auf die gesellschaftliche Trennung der Klassen zurück. Ja, könnte man ein anderer sein, „nur ’ne Minute lang“ – da klingt die Ahnung und Möglichkeit notwendiger Veränderung an. Eine Art kurzer „Bildungsurlaub“ führt die beiden auf der Suche nach dem Sinn des Lebens in Italien zusammen. Ein Moment kurzer Liebessehnsucht folgt – hier nimmt Büchner die übertriebene Todessehnsucht der Oberschicht der Romantik wegen auf die Schippe –, dann sieht man Leonce und Lena dem Prozedere folgen und zur Heirat vor den König treten. Sie sind maskiert und proben so wenigstens einen Moment lang zum Schein den Ausbruch aus der gesellschaftlichen Enge. Der Narr Valerio, der Leonce begleitet, ein witziger Lebenskünstler, wird brillant von Andrea Klucke verkörpert. Mit ihrer Darstellung prägt sie das Spiel gemeinsam mit Fabian Frenzel über weite Strecken.

Prägnant auch die Ausstrahlung von Julian Gebauer als Präsident. Wie die Geschichte uns heute zeigt, folgte damals noch kein gesellschaftlicher Umbruch. Mag uns das Stück auch nur vage revolutionär vorkommen: Büchner wurde danach steckbrieflich gesucht. Und seine

Anspielungen auf die Rolle des Staates und des Einzelnen lassen auch heute nichts an Aktualität vermissen. (Von Andrea von Fournier)