MAZ/12.09.2011

KULTURSCHEUNE: Heinrich von Kleists Kampf um Gerechtigkeit geht weiter

Michael-Kohlhaas-Lesung mit Eike Mewes und Siegfried Fiedler in Rangsdorf zum 200. Todestag des Dramatikers

RANGSDORF – Das Streben nach Recht und Gerechtigkeit prägte das Denken und Schaffen von Heinrich von Kleist (1777–1811). Für den deutschen Dramatiker und Erzähler, Lyriker und Publizist, der mit den „Berliner Abendblättern“ die erste Tageszeitung Berlins herausgab, erwies sich diese Haltung aufgrund leidvoller Erfahrungen mit den damaligen politischen Verhältnissen als wichtiges literarisches Anliegen. Einen Einblick in diesen Kampf um Recht und Gerechtigkeit im Wandel der Zeit gab es am Sonnabend in Rangsdorfs Kulturscheune, wo mit einer Lesung Kleists 200. Todestag begangen wurde. Das Motto der Veranstaltung: „Dichtung und Wahrheit – Hans Kohlhase – Michael Kohlhaas“.

Gestaltet haben diesen unterhaltsamen Abend der Autor und Regisseur Eike Mewes und der Schauspieler und Rundfunksprecher Siegfried Fiedler. Beide Kulturschaffenden boten in der „vergleichenden Lesung“ zwischen Ereignissen aus der Zeit der Reformation und der Bauernkriege, die einer Chronik zugrunde lagen, und der berühmten Novelle zugleich einen Einblick in das Leben des Heinrich von Kleist, der trotz Herkunft aus einer Adelsfamilie instabilen Lebensverhältnissen ausgesetzt war.

Die Handlung: Der wohlhabende Pferdehändler Hans Kohlhase aus Cölln an der Spree (heute Berlin) diente Kleist als Titelfigur seiner Novelle „Michael Kohlhaas“. Nachdem ihm ein Junker auf seinem Weg zur Leipziger Messe widerrechtlich zwei Pferde wegnehmen ließ, und auch der folgende langwierige Rechtsstreit seine Existenzgrundlage gefährdete, sandte er dem Landvogt von Sachsen, wie es in solchen Fällen Brauch war, einen Fehdebrief. Ab jetzt wolle er so lange ein Feind des ganzen Landes sein, bis er den geforderten Schadensersatz erhielt.

Auch Korrespondenzen mit Martin Luther halfen ihm nicht weiter. Nach Rachefeldzügen mit einer Schar Unzufriedener gegen die Willkürherrschaft und Skrupellosigkeit des Adels wurde Kohlhase entdeckt und – obwohl ihm im folgenden Prozess mit seiner Klage wegen des Pferdediebstahls Recht gesprochen wurde – zum Tode verurteilt. Da Kohlhase ein „brandenburgischer Untertan“ war, griff Mewes auf die oft gespielte und verfilmte Novelle zurück. „Denn der Kampf um Gerechtigkeit geht weiter, ist zeitlos.“ Man wollte dabei den Zuschauer „nicht belehren“, vielmehr müsse der „selbst die richtigen Schlüsse ziehen“. Beeindruckend an diesem Abend: Ob der historische Hans Kohlhase oder der Michael Kohlhaas des Heinrich von Kleist – die prägnant vorgetragene bildhafte Sprache machte die Handlung lebendig und spannend. „Beide Herren waren hervorragend“, schätzte im Anschluss die 96-jährige Theaterwissenschaftlerin und Schriftstellerin Käthe Vogeler-Seelig ein. Das Gerechtigkeitsthema sei „nach wie vor aktuell“.

Mit dieser Lesung leistete der Rangsdorfer Kulturverein einen schönen Beitrag zum Kleist-Jahr 2011. Bundesweit finden aus diesem Anlass Theateraufführungen, Festkonzerte, Lesungen, Sonderausstellungen und weitere Veranstaltungen statt. Wie Hausherr Detlef Schlüpen einschätzte, bildete die Kleist-Lesung „einen guten Abschluss“ des diesjährigen Rangsdorfer Kultursommers mit seinen etwa 30 Veranstaltungen. (Von Peter Heinze)