MAZ vom 15.05.2012

Gerlinde Förster stellt ihr bemerkenswertes Buchprojekt vor / Nachfahren zollen Dank und Anerkennung

RANGSDORF –

„Für diese Arbeit werden wir Ihnen immer zu Dank verpflichtet sein. Ebenso der Gemeinde, die den Druck unterstützt hat“, sagte der sichtlich bewegte Berliner Winnetou Kampmann am Wochenende in der Galerie Kunstflügel. Anlass war die Präsentation des vom ansässigen Kulturverein herausgegebenen Bandes „Die Kampmanns – eine Künstlerfamilie in Rangsdorf“ durch die Autorin Gerlinde Förster. Eine Sammlung von Daten, Lebensgeschichten und -umständen, von Fotos und Kunstwerken in mehrjähriger Arbeit hat zur vorliegenden Broschüre geführt. In ihrem Fokus: Walter und Käte Kampmann in der Zeit von 1934 bis 1952.

Vor zwei Jahren zeigte die Galerie Kunstflügel an gleicher Stelle eine Ausstellung zum künstlerischen Wirken der Kampmanns. Damals sammelte Gerlinde Förster so viele Geschichten, lose Anfänge oder Enden aus dem Leben verschiedener Kampmanns, dass sie Fäden verfolgen und verbinden wollte. Im Kulturverein fand sie Partner für das Projekt. „Rangsdorf hat in den letzten Jahren viel Zuzug erfahren, Menschen, die Identität in ihrer neuen Heimat suchen. Da gehört die Geschichte der Kampmanns mit dazu. Und viele Ältere erinnern sich noch an sie, das wollte ich festhalten und auffrischen“, so Gerlinde Försters Motive.

Die Geschichte der Kampmanns in der Region beginnt 1919 mit dem Umzug des Ehepaars Walter und Friedel – Absolventen der Kunstgewerbeschule Elberfeld – nach Berlin. Im selben Jahr bekommt Walter Kampmann eine Stelle als Leiter der Entwurfsklasse der Höheren Fachschule für Textil am Warschauer Platz. Als Mitglied des Deutschen Werkbundes und der Novembergruppe steht er in Berlin für die künstlerische Erneuerung Deutschlands. Kreative Jahre für den Maler und Bildhauer folgen. Das Erstarken des Nationalsozialismus ist für Kampmann problematisch: Für den Novemberbund gestaltete er Plakate und Einladungen und wurde für die Nazis zum Synonym des junge und schöpferische Kreative sammelnden Bundes. Durch einen Umzug ins Märkische erhoffte sich Kampmann neben der Zurückgezogenheit, den Nachstellungen der Braunen zu entgehen.

1934 wurde das von ihm entworfene großzügige Atelier- und Wohnhaus am heutigen Herweghring/Ecke Großmachnower Straße in Rangsdorf bezogen. Drei Kinder gehen aus der Ehe mit Friedel hervor. Nach deren Tod heiratet Walter Kampmann seine zweite Frau Käte, die später unter dem Namen Kat Kampmann als Textilkünstlerin und Grafikerin arbeitet. Auch aus diese Ehe gehen drei weitere Kinder hervor. Aus den Kindern werden Gold- und Silberschmiede, Architekten, Keramiker und bildende Künstler.

Walter Kampmann wird nach erfolgloser „Umerziehung“ in Hohenlychen aus dem Dienst entlassen. Seine Arbeiten in den 1930er Jahren verändern sich inhaltlich stark: Alltägliche Szenen, auch aus dem Rangsdorfer Haus, bestimmen die Motive. Seine Frau Käte versucht, die Familie mit Näharbeiten und Postkartenmalerei mitzufinanzieren.

Als Walter im Dezember 1945 stirbt, steht sie mittellos mit drei kleinen Kindern da. 1952 verlässt sie mit ihnen das Dorf und geht nach Berlin (West) zurück, wo sie später als Malerin und Grafikerin Kat Kampmann Fuß fasst. An entbehrungsreiche Jahre in Rangsdorf und im Nachkriegsberlin erinnerte sich die bei der Buchpräsentation anwesende Tochter Angelika, Kostümbildnerin. Wie ihr Neffe Winnetou war sie angetan vom vorgestellten Werk.

Gerlinde Förster kommt das Verdienst zu, die Familiengeschichte immer wieder im Zusammenhang mit der politischen Situation gesetzt zu haben. Ihr Fingerspitzengefühl, Kenntnis der kulturhistorischen Zusammenhänge und das Bestreben, private Auskünfte und Fotos von Familienmitgliedern aus Deutschland und USA zu bekommen, war von Erfolg gekrönt.

Die Broschüre ist in der Reihe „Rangsdorfer Geschichten“ erschienen, ISBN 978-3-934532-35- 9. (Von Andrea von Fournier)