MAZ/13.05.2011

GEDENKEN: Tafel wird enthüllt

RANGSDORF – Am Sonntag um 15 Uhr wird in Rangsdorf in der Straße Unter den Eichen 11 am ehemaligen Haus der jüdischen Familie Ludomer eine Informationstafel feierlich enthüllt. Dazu lädt die Gemeinde alle Rangsdorfer recht herzlich ein. Die Familie wurde von den Nazis ihres Heims beraubt, mit Berufsverbot belegt, zur Zwangsarbeit verpflichtet und schließlich deportiert und ermordet. Hilma, die Tochter der Ludomers, überlebte als einzige und wanderte 1947 nach Amerika aus. An der Gedenkveranstaltung werden voraussichtlich Nachfahren aus den USA und Norwegen teilnehmen.

MAZ/14.05.2011

GEDENKEN: Nachfahren der Ludomers in Rangsdorf

RANGSDORF – Alle Einwohner sind herzlich eingeladen zur Teilnahme an der feierlichen Enthüllung der Informationstafel vor dem ehemaligen Haus der jüdischen Familie Ludomer morgen um 15 Uhr in der Straße Unter den Eichen 11. Die Familie wurde von den Nazis ihres Heims beraubt, mit Berufsverbot belegt, zur Zwangsarbeit verpflichtet und schließlich deportiert und ermordet. Tochter Hilma überlebte als einzige und wanderte 1947 nach Amerika aus.

Norbert Kampe von der Geschichtswerkstatt des Kulturvereins Rangsdorf: „Es ist eine große und emotionale Geste, welche die Gemeinde Rangsdorf und die Nachfahren der Familie Ludomer wagen. Die Gemeinde bekennt sich zu ihrer Geschichte, auch zum dunkelsten Kapitel. Wir heutigen Rangsdorfer, zumeist geboren nach 1945, tragen keine persönliche Schuld, aber wir übernehmen Verantwortung aus unserer Geschichte für eine Gesellschaft ohne Rassismus und Antisemitismus. Die Nachfahren im Ausland haben Vertrauen zu uns gefasst. Sie überwinden ihre Bedenken und nehmen eine weite Reise auf sich.“

Erwartet werden Nachfahren aus den USA, aus Norwegen, Großbritannien und Israel. (MAZ)

MAZ/17.05.2011

GESCHICHTE: Bewegender Augenblick

In Rangsdorf ist das Schicksal der jüdischer Familie nun im Ortsbild präsent

RANGSDORF – Nur zweimal im Jahr – zu Weihnachten und im Sommer – treffen Amber (23) und Mika (25) aus Großbritannien ihre Eltern. Denn Audrey und Richard Geffen leben in Norwegen, wo die Meeresbiologin Audrey eine Professur an der Bergener Uni hat. Die weitere Verwandtschaft sehen sie kaum. Nun trafen sich Mitglieder der verzweigten und in die Welt verstreuten Familie in Rangsdorf, um eine Gedenktafel für ihre Ahnen Henriette und Arnold Ludomer zu enthüllen.

Das Berliner Ehepaar Ludomer mit jüdischen Wurzeln, das sich 1931 den Traum von einem Häuschen im Grünen in Rangsdorf erfüllte, kam im Dritten Reich in die Mühlen der Nazis und wurde 1942 nach Riga deportiert und getötet. Einzig Tochter Hilma überlebte. Mit Hilfe von Nachbarn, denen die Eltern 1000 Reichsmark anvertraut hatten, von denen sich Hilma später Essenmarken auf dem Schwarzmarkt kaufen konnte, und Freunden, die zur Sommerfrische nach Rangsdorf kamen und Hilma ein sicheres Versteck bis Kriegsende mitorganisierten. 1946 wanderte Hilma Ludomer nach Amerika aus. Sie starb 1993 in Michigan.

Ihre Kinder Bruce und Audrey Geffen standen nun sichtlich bewegt an dem Ort, von dem ihre Mutter so viel erzählte. „Sie beschrieb, wie im Herbst das Laub von den Bäumen im Garten fiel und sie daraus ein Haus baute und Vater, Mutter, Kind darin spielte“, erinnerte sich die Tochter, die in Florida keine fallenden Blätter kannte. Und auch, wie Mutter Rad fuhr und auf dem Rangsdorfer See Schlittschuh lief. „All das war immer in meinen Gedanken: die unbekannte Heimat Rangsdorf in Deutschland“, so Audrey Geffen.

Nun war sie angekommen an diesem Ort, mit Ehemann und Töchtern, mit Bruder Bruce und weiteren Familienmitgliedern. Was mögen sie wohl gedacht haben, als Audrey das Tuch von der übermannshohen Gedenktafel zog? Die Gäste, auch aus Israel und den USA, dankten besonders Historiker Norbert Kampe und Literaturwissenschaftlerin Carola Gerlach, die mit ihren Recherchen viel Licht in das Dunkel der Familiengeschichte gebracht hätten, der Gemeinde, die eine Aufarbeitung der Historie des Hauses und seiner Bewohner zuließ und förderte, und den vielen Rangsdorfern, die durch ihr Erscheinen Interesse und Anteilnahme bekundeten.

Auch Nachkommen des früheren Bürgermeisters Georg Rapp, der den Ludomers im Krieg half, waren dabei. So wie Helmut Krüger sein Kommen begründete, so dachten wohl viele: „Eine schwere Last liegt auf unserem Land“, sagte der ehemalige Kantor.

Nach der Enthüllung der Tafel, die beidseitig Fotos und Lebensweg der Ludomers darstellt, positionierte sich die Familie zum Gruppenbild den Kameras der Medienvertreter und den Einwohnern. Die Familie stiftet eine Sitzbank für das Ortszentrum, auf der eine Tafel mit deren Lebensdaten an Henriette und Arnold Ludomer erinnern soll.

Die Gemeinde lud dann Gäste und Einwohner zum Kennenlernen ins Seebad-Casino. Sandra Jüngst von der Gemeinde hatte sich intensiv um Programm, Übernachtung und Empfang gekümmert. In Angelika und Norbert Kampe fanden die dankbaren Gäste versierte Sprachkundige und Stadtführer. (Von Andrea von Fournier)

MAZ/17.05.2011

KULTURSOMMER: Vergnügliches über den Humor-Altmeister

Wilhelm Busch in Wort und Bild

RANGSDORF – Zu einem Wilhelm-Busch-Abend hatte der Kulturverein Rangsdorf im Rahmen des gerade eröffneten Kultursommers eingeladen. Vergnügliche Szenen, heiter besinnliche Verse brachten die Berliner Schauspieler Gabriele Mewe und Jens-Peter Dierichs mit musikalischer Unterstützung von Jürgen Kliem an der Gitarre auf die improvisierte Bühne einer Scheune am Dorfanger. Diese wird über die Sommerzeit vielfältig als Kulturscheune genutzt. Vereinsmitglieder hatten für Getränke gesorgt, ein paar warme Decken wurden verteilt und los ging es „Einszweidrei – im Sauseschritt“, getreu dem Titel.

Nicht nur die älteren unter den Gästen, für die die Texte vielleicht noch einen höheren Wiedererkennungswert hatten, hatten ihre Freude: Das literarisch-musikalische Schau-Spiel-Programm erheiterte das ganze Publikum überaus. Auch Briefe und weniger bekannte Verse kamen zu Gehör und verdeutlichten das Multitalent Buschs. Die beiden Mimen erklärten, dass ihnen Wilhelm Busch außer in ihrer Kinderzeit kaum mehr begegnet sei, und man merkte ihnen den Spaß bei der Wiederentdeckung seiner Klassiker an. Leicht gingen ihnen die Verse von den Lippen, die mit den bekannten Zeilen über die im Sauseschritt eilende Zeit verbunden wurden. Im Zentrum der Handlung stand die Geschichte des Tobias Knopp, die Gabriele Mewe und Jens-Peter Dierichs mit den dazugehörigen großformatigen Bildern von Busch illustrierten.

Die Entwicklung des jungen Knopp, seine heimliche Liebe zu Doris, Heirat, Neckerei und Zänkereien, Kneipentour, die Geburt von Julchen und dessen Aufwachsen, bis die Jungs ihr nachstellen wie einst Vater der Mutter – Busch brachte mit spitzer Feder und Zeichenstift trefflich überhöht ein ganzes Ehe-, Familien- und Menschenleben zu Papier. Das Mewe/Dierich genauso treffsicher und amüsant darstellen konnten.

Nach einer kleinen Zugabe verabschiedete Hartmut Klucke, der Vorsitzende des Kulturvereins, den Musiker und das Schauspielerduo, das auch im wahren Leben ein Paar ist, mit einer Flasche Wein.

Über Hartmut Klucke war auch die Verbindung zu den Berlinern zustande gekommen: Gemeinsam hatten er und Gabriele Mewe erfolgreich ein Tucholsky-Programm auf die Beine gestellt, und man hatte sich dabei schätzen gelernt. Der Einsatz der charmanten Berlinerin und ihrer Mitstreiter ist ein schöner Gewinn für den Kultursommer in Rangsdorf. (Von Andrea von Fournier)

MAZ/17.05.2011

 EHRUNG: Ein Vorbild für Deutsche und Polen

Rangsdorf errichtet Gedenktafel vor dem „Blauen Haus“ in Erinnerung an Jan Baczewski

RANGSDORF – Zu einer Generalabrechnung Polens mit der gegenwärtigen deutschen Minderheitenpolitik geriet gestern Nachmittag die Enthüllung einer Gedenk- und Informationstafel für den einstigen preußischen Landtagsabgeordneten und Vertreter der polnischen Minderheit im Deutschland der Weimarer Republik, Jan Baczewski (1890–1958). Der aus dem ostpreußischen Ermland stammende Politiker hatte sich 1927 mit seiner Familie in Rangsdorf ein Holzhaus im Stil seiner Heimat errichten lassen, das wegen seiner Farbe und besonderen Architektur als das „Blaue Haus“ in der Rangsdorfer Kurparkallee bekannt war. Weniger bekannt war dagegen bis vor kurzem die Geschichte und das Schicksal ihres Erbauers.

Zur Enthüllung der Tafel vor dem inzwischen ausgebrannten Haus, das deswegen im Verständnis des deutschen Denkmalschutzes keinen Erhaltungswert mehr hat, kam auch eine polnische Delegation von etwa 15 Männern und Frauen. Für die Polen ist es unverständlich, dass das Haus nun verschwinden kann, bloß weil die Originalbauteile nicht mehr zu verwenden sind. „Wir hoffen auf eine gemeinsame Lösung“, betonte Bürgermeister Klaus Rocher (FDP), was allerdings dadurch erschwert wird, dass das Grundstück auch noch in Privatbesitz ist. Für die Polen hat dieses Grundstück aber einen ungeheuren Symbolwert, wie aus den Redebeiträgen der polnischen Gäste deutlich wurde.

Da half auch nicht das Bedauern von Landrat Peer Giesecke (SPD), der sich dafür entschuldigte, dass die Denkmalschutzbehörde, „unbewusst oder unbedacht für die Verletzung der polnischen Seele“ gesorgt habe.

Aber die Gesetze sind nun mal so, und die unterschiedliche Herangehensweise an den Denkmalschutz ist für die Polen auch nur ein Problem unter vielen. Für sie ist das Baczewski-Haus nämlich zugleich ein Symbol für die gegenwärtig nicht ganz freundlichen bilateralen Beziehungen zwischen der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland.

Kurz vor dem 20. Jahrestag der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrages zwischen beiden Ländern gibt es Unstimmigkeiten, was die Minderheitenpolitik betrifft. „Die Vertragsverpflichtungen werden von der deutschen Seite nicht erfüllt“, sagte die Senatorin Dorota Arciszewska-Mielewczyk von der zweiten Kammer des polnischen Parlaments.

„Wir kämpfen für die gleichen Rechte, wie sie die deutsche Minderheit in Polen genießt“, sagte Ilona Kehler vom Bund der Polen in Deutschland. So zahle Polen 25 Millionen Euro jährlich an die deutsche Minderheit, während es hier keine finanzielle Unterstützung für die polnische Minderheitenvertretungen gebe.

Aber zurück zu Jan Baczewski: Seine Enkelinnen Gabriela Baczewski-Prada und Elzbieta Baczewski, die vor 40 Jahren mit ihren Eltern von Polen zurück nach Rangsdorf gezogen sind, zeigten sich als „lebendiges Beispiel, dass sich die polnische Minderheit in Deutschland nicht in Luft aufgelöst hat“. Ihr Großvater sei nie ein Feigling gewesen und wurde zum Opfer sowohl der Nazi-Diktatur in Deutschland wie später der stalinistischen Diktatur in Polen. In Polen werde er schon längst als Vorbild gewürdigt.

Die Tafel, so Landrat Giesecke dazu, könne nur ein erster Schritt sein. Jetzt gehe es darum, nach einem gemeinsamen Projekt zu suchen, das an Jan Baczewski erinnere, wie zum Beispiel die Schule. „Da ist es zweitrangig, ob hier eine Ruine steht.“ (Von Hartmut F. Reck)