MAZ vom 15.05.2013

Lesung zum Jahrestag der Bücherverbrennung

In Groß Machnow erinnerte man an die Vernichtung deutscher Kultur

GROSS MACHNOW – Ein rabenschwarzes Kapitel deutscher Geschichte ließen Mitglieder der Rangsdorfer Theatergruppe „Buntspecht“ im Gutshaus „Salve“ mit einer Lesung auferstehen: Die Bücherverbrennung der Nationalsozialisten in Berlin im Mai 1933.

Eike Mewes, der „Buntspecht“ leitet und die Gedenkveranstaltung inszeniert hatte, war am Montagabend etwas ratlos ob vieler freier Zuschauerplätze im Saal: „Ich habe noch nicht rausgefunden, wie man die Rangsdorfer aus den Fernsehsesseln holt“, sinnierte er. Denen, die gekommen waren, boten er und fünf Lesende eine informative, breit gefächerte Zeitreise in die Vergangenheit, Details und Hintergründe, die Mancher so noch nicht gehört hatte.

Musik aus Wagners Ring des Nibelungen eröffnete die Lesung gewaltig, fast drohend. „Im Anfang war das Wort“ – mit diesem Zitat aus dem Johannesevangelium führte Eike Mewes die Zuhörer in das Thema des Abends. Die Bedeutung des geschriebenen Wortes für den Menschen, ein Volk, einen Staat, das Wort als Wahrheit, als Lüge, das Wort in diesen oder jenen Händen. Dichter, Diktat und Diktator haben den gleichen Wortstamm, doch gänzlich unterschiedliche Bedeutung und wir benutzen auch heute noch so verklausulierte – verlogene – Begriffe wie die von „Frieden“ abgewandelten Worte Friedensmission oder Befriedung. „Zensur ist auch heute noch da!“, so Mewes. Das Zitat aus Heines Tragödie „Almansor“ (1820) „. . . wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“ leitete zur Bücherverbrennung 1933 über.

Detlef Schlüpen las aus der sogenannten „Feuerrede“ Joseph Goebbels’, die dieser neben den brennenden Büchern auf dem von Studenten und Schaulustigen übervollen Opernplatz hielt. Ganz still war es in den Zuschauerreihen und viele Besucher mögen sich vor Augen geführt haben, was aus diesem Ungeist, gestreut in die Augen und Herzen der Jugend, des Volkes, erwachsen ist. Verlesene Augenzeugenberichte von der Bücherverbrennung schilderten eine Volksfeststimmung unter den Linden, beschrieben eine Atmosphäre von Feierlichkeit, Einheit, Kraft und Aufbruch.

Wie viele Autoren aus welchen Bereichen aus den öffentlichen und privaten Bücherregalen und aus dem Sinn der Deutschen getilgt werden sollten, entsetzt auch heute noch. Einige wurden genauer betrachtet, darunter Erich Kästner, der als einziger der Verbrennung seiner Bücher beiwohnte.

Der Autor Oskar Maria Graf beklagte den umgekehrten Fall: Seine Werke landeten auf der „Weißen Liste“ empfohlener Literatur – das wollte er nicht und konnte es nie verstehen. Auszüge aus Wagners Schriften und Büchern verdeutlichten, warum er für den fanatischen Judenhass der Nazis ein entscheidender Pfeiler war. Nach verbotenen Gedichten von Mascha Kaléko beendete „Der Einzug der Götter“ von Wagner die Lesung.

Die letzte Sonne ließ die alten, großen Bäume des Gutsparks leuchten und gab mit der schmetternden Wagnerschen Musik den „Buntspecht“-Akteuren einen fast unwirklichen Hintergrund. (Von Andrea von Fournier)